Wer schon einmal eine Zeit lang auf eine US-amerikanische Schule oder Universität gegangen ist oder als Teenager gerne High-School-Filme geschaut hat, der weiß, dass diese Institutionen viel Zeit und Geld dafür aufbringen, ein WIR-Gefühl zu schaffen: Zum Beispiel bekommen die Studierenden bei jedem größeren Campusfest T-Shirts mit dem Wappen und den Universitätsfarben geschenkt, welche auf dem gesamten Campus dominieren. Sportevents der eigenen Mannschaften haben Volksfestcharakter und -ausmaß, besonders was die Auswahl an Fastfood betrifft. Im Campusjahr gibt es regelmäßig wiederkehrende Veranstaltungen wie „Homecoming“ mit einer Parade oder auch den „Community Service“, bei dem Studierende Müll sammeln oder bei anderen ehrenamtlichen Aktivitäten helfen. 

Dies sind nur wenige Beispiele von all den Ideen, in die Schulen und Universtäten investieren, um eine gemeinsame Identität zu stiften. Würde man so etwas einem Unternehmen oder Konzern in Deutschland vorschlagen, bekäme man wohl im besten Fall ein liebevolles, müdes Lächeln geschenkt. Identifikation oder „Belonging“ scheint zumindest in nicht wenigen Unternehmungen und Organisationen eine Art des per Arbeitsvertrags besiegelten Leistungsaustauschs zu sein: Geld für Identifikation = ist eingekauft! Ob das so einfach ist? 

Abgesehen von dem kulturellen Unterschied zwischen Deutschen und US-AmerikanerInnen, stellen wir uns in der Arbeit als Change Manager:in daher doch oft die Frage, wie es sein kann, dass bei uns das Thema Identifikation mit dem eigenen Arbeitgebenden so wenig im Fokus steht. Gerade in Krisensituationen hängt es oft davon ab, ob sich ein Arbeitnehmender für einen neuen Arbeitgebenden entscheidet und im schlimmsten Fall, das gesamte Know-how mitnimmt, ohne dass eine saubere Übergabe und ein Wissenstransfer vonstattengegangen sind.  

Zudem lässt sich feststellen, dass gerade in Konzernstrukturen, die aufgrund ihrer schieren Größe deutlich anonymer sind als ein mittelständischer Betrieb, fehlende Identifikation dazu beitragen kann, dass sich ManagerInnen und Mitarbeitende lediglich auf das Image und den Erfolg des eigenen Teams oder der eigenen Abteilung fokussieren und dabei Konzerninteressen völlig nebensächlich werden. Häufig wird dies in der sprachlichen Welt durch den Begriff „Silo-(denken)“ ausgedrückt. Durch solche Konstellationen kann somit noch eher ein ineffizienter und ineffektiver Wettbewerb zwischen den Business Units gefördert werden, der mehr schadet als Nutzen stiftet. Erschwerend kommt hinzu, dass konzernweite Effizienzen und Shared Values nicht gehoben werden können, da die Motivation für diese Art von intensiver interdisziplinärer und crossfunktionaler Arbeit fehlt. Noch schwieriger wird es, wenn genau diese fehlende Identifikation zwischen Business Units und den zentralen Konzernbereichen komplett fehlt. Die Frage ist dann am Ende, was diese Unternehmensteile noch verbindet.

Die Kunst ist es, dass Sie für Ihr Unternehmen oder Ihren Konzern herausfinden, was für Identifikationsformate und Initiativen gut ankommen. Vielleicht sollte zur Abwechslung lieber ein großes Sommerfest gefeiert als der 10. Kugelschreiber mit dem 10. Transformationsslogan ausgeteilt werden. Am besten sprechen Sie mal ganz offen und direkt mit Ihren Mitarbeitenden über Ihre Ideen.

Dabei ist jedoch eines selbstkritisch zu betrachten: Je länger Sie diese unbezahlbare Identifikation nicht prozessual und strukturiert unterstützt haben, desto eher reichen einfache „Einmalaktionen“ nicht aus. Dazu nehmen wir das Beispiel vom Anfang des Blogs noch einmal auf: Es ist ein jährlich wiederkehrender Prozess, der gezielt mehr tut als ein juristischer (Arbeits-) Vertrag. Starten Sie heute, es lohnt sich!¹

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Fußnote:

¹Wie „Vertrauen“ ist dies eine Währung, die sie nicht in Ihrer Bilanz finden. Siehe auch Blog 20