Als Change Manager müssen wir uns (zwangsläufig) immer wieder mit kulturellen, gruppendynamischen und persönlichen Verhaltensmustern beschäftigen.  Dies ist meist auch vielen in den Organisationen und Unternehmen klar. Was nur sehr, sehr selten bis gar nicht in Betracht gezogen wird, ist die Steigerungsform: das ritualisierte Business-Verhalten! 

Um dies vorweg zu schicken: ein Ritual, also ein festgelegtes Vorgehen, das immer nach einer bestimmten Ordnung gleicht bleibt, muss per se nichts Negatives sein. Gerade, wenn dieses bewusst eingesetzt wird, um sich z.B. in eine Art „inneren Einkehr“ oder „innerem Fokus“ auf etwas vorzubereiten, sich einzustimmen oder es als auch „Glücksbringer“ zu nutzen. Gerade im sportlichen Bereich, sei es im Fußball oder anderen Sportarten, gibt es zahlreiche (Erfolgs-) Rituale, die den gewinnbringenden Prozess unterstützen sollen. 

Wird dies sehr bewusst eingesetzt, kann es in der Tat sehr hilfreich sein, sei es für die einzelne Person oder für ein Team. Leider, so ist meine Erfahrung, gibt es im Business-Kontext kaum bis gar nicht (mehr) diese positiven, kostenlosen „Stimulanzien“.  Durch die pandemische Zeiten ist dies nicht besser geworden.  

Ein einfaches Beispiel: Ich kenne noch ein sehr schönes Ritual aus meiner Bankenzeit. Fast jeden Freitag hatte der damalige Niederlassungsleiter, nur unterbrochen durch Urlaub und Krankheit, seine Teams persönlich „besucht“. Wie der Norddeutsche sagt, er kam auf einen „Klönschnack“ vorbei. Manchmal war es auch nur ein kurzes „Hallo“, ein kurzer persönlicher Wortwechsel, manchmal wurden es auch schon 10 Minuten oder mehr. Der Effekt war gigantisch für die Motivation, das Miteinander, einen Rat, eine Hilfestellung in einem Fall oder in einer persönlichen Angelegenheit. Online-Meetings, Terminkalender die von unten bis oben voll sind, häufig doppelt belegt, keine bis kaum noch Zeiten für die Zeit zwischen zwei Terminen und ganz einfach andere Zeiten, machen diese Rituale zu Nichte: es sei denn, man setzt sich dafür ein! 

Dagegen ist eins für mich in den letzten Jahr zunehmend auffälliger geworden. Die unbewussten Rituale, gerade auch in Teams, selbst bis auf höchste Ebene nehmen zu. Diese unbewussten Rituale sind zudem fast immer negativ konnotiert. Es ähnelt dann manchmal dem ritualisiertem Balzverhalten von Vögeln, wobei einige Vogelarten wohl die komplexestes Balzverhalten im Tierreich haben sollen. Wer sich dafür interessiert kann z.B. mal einen kurzen Blick in den folgenden Link des National Geographic nehmen: (Spektakuläre Balzrituale: Moonwalk, Todesspirale und wundersamer Wasserlauf | National Geographic | National Geographic) 

Dies passiert heute, ähnlich wie im Tierreich, besonders an Schnittstellen, wo es darum geht, sich selbst und/oder sein Bereich bestmöglich in ein besonderes Licht zu stellen. Oder dort, wo es um interessante karriereorientierte Pöstchen geht, die eher Mangelware sind. Auch findet dies häufiger statt, wenn gerade größere Konzerne mit Matrixorganisationen eine eher dezentral geführte Struktur aufweisen. Manchmal kommen jedoch alle die o.a. Gründe und manchmal noch Weitere dazu. Es ist immer im Einzelfall zu schauen, was da unbewusst ritualisiert wurde. Allen gemeinsam ist, dass meistens in diesen besonderen Situation des „Ritualverhaltens“ kaum bis gar nichts mehr voran geht. Wie auch, wenn ein jede/r damit beschäftigt ist, sich selbst in den Vordergrund zu stellen. Da finden dann keine Dialoge mehr statt, Gemeinsames läuft wenig bis gar nicht und im besten Fall einigt man sich auf den vermeintlich kleinsten Nenner.  

Um eins noch mal klar zu stellen: Es gibt einen großen Unterschied zwischen Routine und ritualisiertem Verhalten. Eine Routine kann ich einfach(er) ändern. Ein ritualisiertes (negativ wirkendes) Verhalten bedarf sehr viel Arbeit und ist meiner Erfahrung nach von den Betroffenen ohne externe Hilfe nicht mehr aufzulösen! 

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©Tony