Vor einigen Jahren besuchte ich eine Veranstaltung, die von der lokalen Universität zusammen mit einem Projektmanagement-Verein organisiert wurde. Ein Doktor der Ökonomie und sein Doktorand stellten ein selbstentworfenes Tool vor, welches die anonyme Bewertung von Führungskräften vereinfachen sollte. Danach war eine halbe Stunde Diskussion angesetzt worden und ein Netzwerk-Abendessen. An den Vortrag selbst kann ich mich ehrlicherweise nicht mehr sehr gut erinnern, umso mehr allerdings an die Atmosphäre im Raum, die sich nach den ersten 10-15 Minuten von Interesse zu Erstaunen und dann zu Ungläubigkeit entwickelte.  

Um zu verstehen, warum die Stimmung immer mehr kippte, sollte an dieser Stelle gesagt werden, dass der Raum mit lauter PraktikerInnen besetzt war, die gemeinsam eine große Menge an Organisationserfahrung mitbrachten. Vor diesem Publikum stellten nun zwei Herren aus der Universität ihr Tool vor, welches von der Prämisse lebte, dass sich Menschen in Organisationen “rational” verhalten.   

Am Ende des Vortrags war ich froh, dass niemand währenddessen aufgestanden ist, um zu gehen. Ich vermute allerdings, dass das Buffet, welches indes draußen aufgestellt wurde, nicht ganz unbeteiligt daran war. In der Diskussionsrunde am Ende des Vortrags kam dann ein Punkt nach dem nächsten aus dem Publikum, warum das Tool so in der Praxis kaum bis keine Wirkung entfalten würde. Inzwischen taten mir die beiden Vortragenden regelrecht leid, obwohl die Kritik völlig berechtigt gewesen ist.  

Als Change ManagerInnen erleben wir dies in unserer Arbeit nicht immer in so einer beschriebenen Reinform. Jedoch kommt es durchaus häufiger vor, dass Konzepte, die auf dem grünen Tisch gut aussehen, ohne weiteren Realitätscheck in die Organisation gegeben werden. Kommt es dann zu Konflikten und Schwierigkeiten bei der Umsetzung, funktionieren häufig wichtige Rückkoppelungsschleifen nicht. Theorie trifft dann auf Praxis bzw. Theoretiker*innen auf Praktiker*innen. Da gibt es quasi schon aus dem jeweiligen Selbstverständnis und der gelebten Sprache heraus deutliche Kommunikationsschwierigkeiten, obwohl vielleicht sogar alle die gleiche Muttersprache sprechen. Wird dann zusätzlich „von Oben“ Druck auf die stringente Umsetzung gemacht, kommen ggfs. auch noch weitere Konflikte dazu.  

Unser Plädoyer aus Change Manager Sicht ist: Wenn Sie Konzepte entwerfen, bauen sie sich ein „buntes Team“ zusammen, dass viele verschiedene Sichten und Erfahrungen mitbringt. Und das so früh wie möglich. Probieren Sie einfach dies aus und halten Sie es aus, dass es ganz unterschiedliche Impulse und Sichten geben kann. Es wird am Anfang sicherlich dann auch mal mehr Chaos geben, aber Sie werden feststellen, dass Sie am Ende schneller und erfolgreicher an Ihr Ziel kommen als mit alter Methodik.  

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