Im Blog 14 haben wir bereits darauf hingewiesen, dass es im Innenleben gerade größerer Organisationen insbesondere im Gegensatz zum deutschen Insolvenzrecht nicht selten an harten Kennzahlen und Kriterien fehlt, die anschließend transparente, stringente und konsequente Folgehandlungen nach sich ziehen.
Ist das Innenleben also zwangsläufig ungeregelt bzw. problematisch? Nein, selbstverständlich nicht! Trotz häufig zahlreicher Berichte sowohl aus quantitativer als auch qualitativer Sicht gibt es jedoch gerade bei größeren Veränderungsprogrammen – insbesondere bei Transformationenprogrammen mit harten Ergebniszielen – zwei wichtige Komplexitätsstufen, die nicht benannt werden:
Komplexitätsstufe I…
… beinhaltet die zuvor fehlende Einstufung des Transformationsprogramms in einen Schwierigkeitsgrad und die daraus resultierende notwendige Vorbereitungszeit. Häufig fallen die Projekte und Programme für viele Mitarbeitende einer Organisation plötzlich aus den „oberen Räumen“ und dann soll es immer auch direkt losgehen – ein klassischer Kaltstart also mit allen Risiken, die dieser mit sich bringt. Wir befinden uns in der Zeit der Kick-offs: Schneller als man schauen kann, sichtet man mit KollegInnen bereits die ersten Folien zu einem neuen Projekt, bevor eine richtige Vorbereitung überhaupt erfolgen konnte. Hierzu braucht es eine professionelle Einordnung in fünf Komplexitätsstufen. Diese sind in der folgenden Abbildung zusammen mit einer großen Einordnungsskala dargestellt. Ein beliebter Fehler ist die mangelnde Zeit für die sichtbaren und unsichtbaren Erfolgsfaktoren. Aus diesem Grund ist eine exzellente und professionelle Vorbereitung das Fundament für die Umsetzung. Dazu gibt es eine einfache Regel: Je komplexer Ihr Programm wird, desto mehr Qualität benötigen Sie in der Vorbereitung und für das Filtern der Erfolgsschlüssel Ihres Vorhabens.
Komplexitätsstufe II…
…greift, wenn das selbst gesteckte Ziel der Transformation nur noch schwer bis gar nicht mehr erreichbar ist. Das passiert, wenn Ihr Programm in eine der Stufen 6, 7 oder 8 „hineingeraten“ ist. Häufig hört man bei der Stufe 6 Sätze wie: „Bei uns ist es jetzt wirklich fünf Minuten vor zwölf!“. Doch gerade in größeren Organisationen und Konzernen ist auch ein „Fünf Minuten nach zwei“ möglich. Durch taktische und politische Überlagerungen sowie ausreichend Cash-Flow erfolgt eine zähe Verschleppung notwendiger „Resets“ oder „Programm-Sanierungen“, damit die Kehrtwende erreicht werden kann. Stufe 8 bildet abschließend das „schwarze Loch“, bei dessen Erreichung dann wirklich alles zu spät ist. Wie das Programm am Ende wirklich beendet wird, hängt dann sehr stark von der jeweiligen Organisationskultur ab.
Der Weg von Komplexitätsstufe I in die Stufe II ist entscheidend für Ihr Transformationsprogramm. Im Best-Case bleibt man in der Stufe I – es wird transparent, stringent und konsequent am Erfolg gearbeitet und der offene, kontroverse Dialog stärkt dabei das gesamte Team. Bleibt die Kommunikation aus oder wird zu wenig strukturiert gefördert, kann es zu zwei wesentlichen, sehr stark programmgefährdenden Entwicklungen kommen:
Dabei springt das Programm z.B. von der Stufe 3 in die Stufe 6 oder von der Stufe 4 in die Stufe 6. Die Entwicklungen sind also sehr „sprunghaft“.
Dabei liegen dem Sprung in die Stufe II zwei mögliche Ursachen zu Grunde, die beide etwas mit dem menschlichen Abwehrmechanismus¹ in Konfliktsituationen zu tun haben:
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¹ “[…] Abwehrmechanismen sind im psychoanalytischen Sinn unbewusst ablaufende Operationen, in denen Informationen verarbeitet und vom Bewusstsein ferngehalten werden, um das psychische Gleichgewicht zu erhalten. Diese unbewusst und automatisiert ablaufenden Mechanismen, z.B. Identifizierung, Intellektualisierung, Konversion, Projektion, Regression, Sublimierung, Verdrängung, Verleugnung, sind also zielgerichtet und dienen homöostatischen Zwecken, also dazu, die durch Signaleffekte wie Angst, Scham oder Schuld ausgelöste Unlust abzuwehren bzw. unlustvolle Affekte zu vermeiden. Werden diese Verhaltensweisen zunächst willentlich aufgebaut, so erfolgt diese Abwehr schließlich automatisiert.” (Quelle: https://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/abwehrmechanismen/112)