Durch das verstärkte Anwenden agiler Methoden1 ist das Thema Selbstorganisation von Teams wieder mehr in den Fokus gelangt. Das ist gut so und erfreulich! Eigentlich. Denn leider kann der Hype um dieses neues Allheilmittel gegen verkrustete Hierarchiestrukturen den Blick auf das Wesentliche trüben: Die innere Natur einer agilen Vorgehensweise – sei es in der Projektmethodik oder in der agilen Organisation – beruht auf einer Renaissance netzwerkorientierter Teams als Fundament für eine flexible, anpassungsfähige und antifragile Organisation2.

Warum Renaissance? Bereits lange vor dem neuen Hype um agile Projektmethodik und agile Organisationen haben sich Unternehmen mit der Anpassung ihrer Organisationsstrukturen beschäftigt. Es ging darum, mehr bei der Gruppe anzusetzen und unter den richtigen Rahmenbedingungen mehr Gruppe zu wagen3. Daraus konnte sich bereits ein deutlich höheres Maß an Selbststeuerung und Selbstorganisation entwickeln. In komplexen Umfeldern können wenige Einzelne nie die Vielfältigkeit singulärer Themen und deren Verknüpfungen überschauen. Daher nehmen Teams und deren Beziehungsgeflechte die zentrale Rolle ein. Um nun die Selbstorganisation von Teams in Netzwerken besser zu verstehen, hilft es, einen Blick auf den Menschen an sich zu werfen und einen kurzen Ausflug zu den neuronalen Netzwerken in uns zu unternehmen, denn diese inneren Netzwerke funktionieren selbstorganisatorisch.

 

Die Synergetik – die Lehre von der Selbstorganisation4– fasst dies in kurzen Worten wie folgt zusammen: „Selbstorganisation bedeutet die spontane Entstehung von Ordnung in kreiskausalen, also sich selbst zurückwirkenden Prozessen“5. Kreiskausal bedeutet, dass Rückkoppelungsprozesse im Sinne von Feedbackschleifen eine hohe Bedeutung haben6. Daraus resultiert, dass es bei selbstorgansierten Teams auf eine exzellente Kommunikation ankommt. Es hat also nichts mit Laissez-Faire, Durchwursteln oder chaotischen Alltagsstrukturen, geschweige denn mit Basisdemokratie zu tun.

Egal welche aktuelle Aufbau- und Ablaufstruktur ich wähle, der Knackpunkt liegt immer in dem Teamwork und -spirit, der Gruppendynamik, den Schnittstellen sowie den bestimmenden Rahmenparametern. Charakterisierte sich eine Organisation in den zurückliegenden Jahren durch eine starke Hierarchiekultur mit wenigen Entscheidungspersonen und einem permanenten Blick „nach oben“, dann ist ein neuer, elementarer Pfad notwendig. Es geht darum, sowohl Führungskräfte als auch Mitarbeitende in die neue Welt zu führen.

Dies löst in der Regel bei vielen Führungskräften Angst vor Kontrollverlust aus. Wer sich jahrzehntelang über Macht und Kontrolle definiert hat, wird sich, egal wie die Methodik heißt, nicht spontan mit neuen Freiheitsgraden oder gar mit neuen Verantwortungen für Teams anfreunden. Dem Ganzen liegt ein fundamentales Vertrauen in die Fähigkeiten der Mitarbeitenden zugrunde, die ebenso kompetente Entscheidungen treffen können wie jede Führungskraft. Aber gerade an diesem Vertrauen mangelt es den meisten, hierarchiegewöhnten Personen im Management. Dies macht ein Umdenkengerade bei ihnen so zentral wichtig.Wird ein solcher Prozess nicht vernünftig vorbereitet und gezielt gelenkt, ist die Gefahr groß, dass innere alte Muster in einem neuen Gewand ablaufen!

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Siehe auch Blogs aus dem Business Leben No. 02 und 07.

2  Antifragilität nach: Referenz Taleb, Nassim Nicholas: Anti-Fragilität Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen. Btb Verlag: 2014.

Doppler, Klaus; Lauterburg, Christoph: Change Management. Den Unternehmenswandel gestalten. Campus: 2002. S. 155ff.

Haken, Herrmann; Schiepek, Günter: Synergetik in der Psychologie, Selbstorganisation verstehen und gestalten. 2. Aufl. Hogrefe Verlag: 2010.

ebd.

 Beispiel: In einer durch Thermostat geregelten Heizung verursacht eine zu niedrige Temperatur das Heizen, welches dann zu einer höheren Temperatur führt. Dies wiederum verursacht das Abschalten der Heizung, was wieder eine tiefere Temperatur verursacht, usw.