In den Gesprächen in Organisationen dreht sich vieles, vielleicht auch fast alles um Leistungskennzahlen, Performance, EBIT-Steigerungen – oder ganz allgemein um die sachlichen Themen. Der Fokus wird erst recht unter Drucksituationen auf die Erreichung von Zielen geschärft. Als Change Manager sitzen wir dann immer mal wieder in Runden, in denen aus unserer Sicht die alles entscheidende Frage, die vorweg geklärt werden sollte, nicht gestellt wird: „…sagt mal, vertraut Ihr Euch überhaupt?“
Das mangelnde Vertrauen ist häufig spürbar, wird jedoch fast nie offen angesprochen. Die wahren Befindlichkeiten, Sorgen oder Ansichten werden nicht auf den Tisch gelegt. Es gibt auch sprachliche Indizien, die immer gerne wieder genutzt werden, beispielsweise „Lasst uns doch mal sachlich und objektiv das Ganze betrachten“ oder „Ich bin da voll bei Dir, aber…“. Ganz offiziell wird dann ein gegenseitiges Vertrauen beurkundet. Sprechen wir als Change Manager jedoch tatsächlich vertraulich mit den einzelnen Beteiligten, zeigt sich häufig, dass es ein Problem mit dem Vertrauensverhältnis zu einzelnen Personen gibt. In der Gruppendynamik wird dies natürlich dann nur noch schlimmer; keiner traut sich aus der Deckung, sodass viele Worthülsen Verwendung finden und es sichtlich schwerfällt, auf den Punkt zu kommen. Oder das Einvernehmen wird mit einem vermeintlich vereinbarten Vorgehen bekundet. Tatsächlich wird dann einzeln oder in verbündeten Fraktionen das Vorgehen blockiert oder – im schlimmsten Fall – wird eine andere Vorgehensweise gewählt.
Kommt das Thema Vertrauen zur Sprache, wird gerne um einen Vertrauensvorschuss gebeten, da der Fokus ausschließlich auf die Erfüllung von Zielen gelegt wird und dies einen hohen Druck mit sich bringt. Das natürliche Prinzip von Vertrauensbildung soll, meistens vermutlich unbewusst, bei dem Ruf nach einem Vertrauensvorschuss durchbrochen werden. Dieser einseitige Fokus verschlimmert somit Situationen, in denen Führungskräfte und Teams bereits angespannte oder gar fehlende Vertrauensverhältnisse haben bzw. sich diese schon seit Jahren entwickeln. Diese manifestierten Prozesse lassen sich nicht über Nacht gänzlich aufbrechen, weshalb im Folgenden einige wichtige Aspekte zur Vertrauensbildung von uns dargestellt werden. In diese Thematik Zeit zu investieren, wird sich langfristig lohnen, um Ihre Ziele zügiger zu erreichen.
Aspekt 1
Wenn Sie selbst nicht den Mut finden, mit neuen Wegen die Vertrauensbildung zu ermöglichen, dann heißt es: Abwarten. Halbherzigkeit bedeutet im Zweifel eine Verschlimmerung der Situation, im besten Fall bleibt es so, wie es ist und Ihr Gegenüber fühlt sich zudem wohl bestätigt, dass man zu Ihnen kein Vertrauen haben kann. Also: Finden Sie erst Ihren Mut und Ihre Entschlossenheit, etwas zu verändern!
Aspekt 2
Vertrauensbildung ist ein Prozess! Sie haben zu wenig Zeit, einen großen Ergebnisdruck und können sich davon nicht sofort lösen? Nehmen Sie zunächst Abstand, denn Vertrauen kann sichtbar und erlebbar werden. Das heißt, Sie brauchen Gelegenheiten, in denen Führungskräfte und Mitarbeitende wirklich sehen und fühlen können, dass es Ihnen Ernst ist. Also: Haben Sie Geduld und finden Sie passende Gelegenheiten!
Aspekt 3
Es gibt im Grunde keinen Unterschied zwischen Vertrauensbildung im Beruf oder im privaten Leben. Wenn Sie beispielsweise einen Menschen in der Liebe für sich gewinnen wollen, würden Sie auch nicht mit der Tür ins Haus fallen und um einen „Vorschuss“ bitten. Lassen Sie nicht nur sich, sondern auch Ihren Mitmenschen Zeit, sich auf den Wandel einzulassen!
Seien Sie bereit zu geben, ohne die Erwartung zu haben, etwas zu bekommen. Vertrauen ist kein „Deal“. Also: Gehen Sie voran, machen Sie die ersten Schritte und erwarten Sie keine Gegenleistung!
Aspekt 4
Es gibt eine Reihe von konkreten Techniken, die Sie anwenden können und die bei der Vertrauensbildung von elementarer Bedeutung sind, z.B. „aktives Zuhören“. Darunter wird ein ernsthaftes Interesse verstanden, seine Mitmenschen in Ihren Meinungen, Befindlichkeiten, Gemeinsamkeiten und auch Unterschiedlichkeiten wahrzunehmen und zu verstehen. Wichtig ist dafür, dass Sie sich zunächst frei machen können von Ihren Zielen, Wünschen und Vorstellungen. Aktives Zuhören meint also das wirklich fokussierte Verstehen, ohne von Anfang an eine eigene Meinung oder Bewertung zu implizieren. Das ist am Anfang gar nicht so einfach, kann aber trainiert werden. Wenn Ihr Team und Sie immer wieder von einem Thema zum nächsten springen, nennen wir dies das „Känguru-Phänomen“. Abhilfe schaffen Sie, indem Sie kurz und kompakt Ihrem Gegenüber zusammenfassen, was Sie verstanden haben. So können Sie sich rückversichern, ob alle wichtigen Aspekte richtig aufgefasst wurden.
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©Petr Ciz