Es ist einige Jahre her, da sagte ein Manager zu mir: „…Kultur ist doch nur eine Frage des Geldes. Hinter unserer Unternehmung steht eine Stiftung, die bisher einige Branchen, z.B. Armeen und Waffenunternehmen für unsere Dienstleistungen ausgeschlossen hatte. Jetzt, wo wir größere Geldsorgen haben, ist doch mit bestimmten „Verteidigungsarmeen“ (z.B: Bundeswehr) Geschäft möglich.“

Diese Aussage hat mich anschließend beschäftigt und noch einmal zur Reflektion über vergangene Jahre angestoßen, in der auch ich als Führungskraft in großen Organisationen tätig war. Tatsächlich habe ich mir früher in den ersten Jahren selbst nie Gedanken über „Kultur“ gemacht. Die damals vielen Assessment Center, die dazugehörigen Fortbildungen und ähnliches, waren vielmehr etwas wie: „…okay, da musst du jetzt durch, es gehört aktuell dazu…“. Auch die darüber liegenden Themen wie Leitbilder, Vision, Mission, Führungsgrundsätze und ähnliches waren echte Meta-Themen. Also a) weit weg vom operativen Geschäft mit seinen Herausforderungen und b) eher ein notwendiges Übel und Zeitfresser, was einem momentan überhaupt nicht weiterhilft. Eine sehr entscheidende Weiterbildung im Konzern über ein ganzes Jahr mit dem Prädikat „Wer das schafft, darf Top-Positionen übernehmen“ hat mich eher abgeschreckt, und ich habe die tatsächliche Teilnahme nur meinem damaligen Chef zu verdanken, der beharrlich auf meine Teilnahme bestand. Dafür bin ich ihm heute immer noch sehr dankbar, es waren wertvolle Impulse und Erfahrungen.

Dieses einjährige interne Konzern-Programm war für mich daher der finale Durchbruch mit dem Auseinandersetzen von (Unternehmens-/ Organisations-) Kultur. Kultur ist für einen operativ orientierten Business-Menschen erst einmal nichts pragmatisch Anfassbares. Sie wird vielleicht mal in der Kantine oder bei störendem Verhalten in Meetings thematisiert. Aber was kann Kultur wirklich bewirken?

Am Anfang des Blogs habe ich zum Statement des Managers eins noch nicht gesagt. Dieser Manager war über die skizzierten Entwicklungen maßlos enttäuscht. Es war Teil seines kulturellen Stolzes und seiner Identifikation, für eine Stiftung zu arbeiten, die insgesamt auf einen sehr positiven Beitrag zur gesellschaftlichen Entwicklung achtete. Respekt, Wertschätzung und Achtsamkeit waren wichtige Grundpfeiler und mit den finanziellen Problemen wurden diese aufgeweicht. Ein wenig später haben sich auch die internen kulturellen Gepflogenheiten geändert. Plötzlich gab es Ranglisten im Unternehmen, welche Business-Einheiten auf welchem Platz im unternehmensweiten Vergleich lagen. Lag man im oberen Drittel, war alles gut. Lag man im unteren Drittel, haben sich freundliche neue Teams aus der Zentrale gemeldet, die dann sehr gerne persönlich vor Ort bei den betreffenden Business-Einheiten geholfen haben, sich doch wieder mehr in das obere Drittel zu orientieren.

Der Manager hat einige Jahre später gekündigt, weil er sich nicht mehr mit der zunehmenden KPI und Kennzahlen-Kultur anfreunden konnte und wollte. Nur nebenbei bemerkt: Der verantwortliche Manager war immer im oberen Drittel und hatte nie diesen „Freundschaftlichen Besuch“ aus der Zentrale bekommen. Er hatte auch nie Geschäfte mit Armeen oder Waffenunternehmen getätigt.

Kultur ist für uns als Change ManagerInnen etwas so Wichtiges und das aufgeführte Beispiel zeigt auch, wie konkret Kultur wirkt. Leider gibt es keine KPI oder eine Bilanzposition zum Wert der Kultur im Unternehmen und deren Beitrag im Wertschöpfungs- und Erfolgsprozess ausdrückt. Kultur ist vielleicht daher auch eine konkrete Frage des Geldes?

Doch eines ist sicher: Es ist mehr als wertvoll, zu wissen, wie Ihr Unternehmen oder Ihre Organisation kulturell tickt. Überdenken Sie daher auch Ihre Entscheidungen ganz konkret auf die kulturellen und damit monetären Auswirkungen!

Ach, eines habe ich zu der Geschichte fast glatt noch vergessen. Der kulturelle Wechsel war verbunden mit einem Wechsel des CEO’s in der Unternehmensspitze. Der langjährige (20 Jahre) CEO wurde durch einen neuen CEO ersetzt, der sehr erfolgreich in der Führung von Turnaround-Unternehmen war und sich einen sehr guten Ruf als „Sanierer“ erarbeitet hatte. Dies, so unsere Sicht darauf, zeigt sehr deutlich, wie auch der Aufsichts- bzw. Stiftungsrat ganz konkrete kulturelle Wechselentscheidungen trifft, die die ganze Organisation massiv beeinflussen können.

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